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Japan
Fataler Fehltritt des Finanzministers
Von Petra Kolonko, Tokio
Shoichi Nakagawa: Hatte ihm Alkohol oder Medikamente bei seinem folgenschweren Auftritt zugesetzt?
17. Februar 2009 Das sollte nicht passieren: In der größten Finanzkrise der Nachkriegszeit tritt der Finanzminister der zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt sichtlich benebelt vor eine Pressekonferenz. Seine Zunge ist schwer, seine Augen fallen zu, er kann den Fragen nicht folgen. Durch die japanische Öffentlichkeit hallte ein Aufschrei. „Betrunken“ sei der Minister gewesen. Der frühere Ministerpräsident Mori kam mit der wenig entschuldigenden Feststellung zur Hilfe, der Mann trinke gern und er habe ihm schon früher geraten, sich besser im Griff zu haben.
Der Beschuldigte, Finanzminister Nakagawa, verteidigte sich. Nein, es sei nicht der Alkohol gewesen, sondern er habe Medikamente gegen eine Erkältung genommen. Die japanische Öffentlichkeit, peinlich berührt von dem Auftritt ihres Ministers bei dem Treffen der Finanzminister der G 7 in Rom, ließ sich durch diese Entschuldigung nicht besänftigen. Die Opposition schäumte und beschuldigte den Finanzminister, die nationalen Interessen Japans durch seinen peinlichen Auftritt beschädigt zu haben.
Finanzminister Nakagawa - nicht nur wegen der Wirtschaftskrise ins Schwitzen geraten
Rücktritt auf Raten
Nachdem sich Ministerpräsident Aso noch am Montag hinter den Finanzminister gestellt und ihm nur empfohlen hatte, mehr auf seine Gesundheit zu achten, wurde die Kritik dann am Dienstag doch zu laut, und er musste den Rücktrittsforderungen doch nachgeben. Nakagawa kündigte seinen Rücktritt an, doch ließ er zunächst wissen, er wolle seinen Posten nicht gleich verlassen, sondern erst, wenn der Haushalt in den nächsten Wochen vom Parlament verabschiedet worden sei. Nachdem ihm dies noch lautere Kritik einbrachte, erklärte er schließlich am Abend seinen sofortigen Rücktritt. Aso geriet in die Kritik, weil er Nakagawa nicht sofort entlassen hatte.
Nakagawas Fehlverhalten und sein Rücktritt auf Raten sind die letzte einer scheinbar endlosen Reihe von schweren Fehlern, die der Regierung Aso und seiner LDP auch noch die letzte Zustimmung des japanischen Wahlvolkes kosten. Einige Tage zuvor hatte der Ministerpräsident mit Äußerungen zur Privatisierung der Post schon für Empörung in den eigenen Reihen gesorgt. Als Aso sagte, er sei von Anfang an gegen die Privatisierung der Post und ihre Aufteilung in vier Unternehmen gewesen, brachte ihm das ungewöhnliche und harsche Kritik eines LDP-Amtsvorgängers ein, der die Privatisierung verfügt hatte. Der frühere Ministerpräsident Koizumi stellte sich offen gegen Aso und bezeichnete seine Äußerungen als lächerlich und schockierend. Wenige Tage später nahm Aso die Äußerung zurück und erklärte, es sei nicht so gemeint gewesen.
Wirtschaftliche Hiobsbotschaften
Zu Asos Ausrutschern und Fehleinschätzungen kommt jetzt auch noch das Debakel um den Finanzminister, der als ein enger Vertrauter des Ministerpräsidenten gilt. Die Kontroverse um den betrunkenen oder sedierten Minister entfaltete sich zudem just an dem Tag, als die neuesten Hiobsbotschaften von der wirtschaftlichen Entwicklung veröffentlicht worden waren: Im letzten Quartal des vergangenen Jahres ist Japans Wirtschaft mit 3,3 Prozent so stark geschrumpft wie seit den Zeiten der Ölkrise der siebziger Jahre nicht mehr.
„Japan steht vor der schlimmsten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg“, sagte der japanische Wirtschaftsminister Yosano. Es ist vor allem der Einbruch der Exporte, der sich auf die japanischen Unternehmen auswirkt. Vor allem die Ausfuhren von Autos und Elektronik-Produkten, besonders in die Vereinigten Staaten, sind stark zurückgegangen. Bedrängte Unternehmen bauen Arbeitsplätze ab. Zwar stand Japan mit einer Arbeitslosenquote von 4 Prozent im vorigen Jahr noch relativ gut da, doch wird sich nach allen Prognosen die Lage in diesem Jahr verschärfen.
Allmählich macht sich Unruhe auch bei den gutsituierten Japanern bemerkbar. Universitätsabgänger fürchten, keine Stelle zu finden. Auch die Älteren sehen ihre Stellen auf Lebenszeit nicht mehr als garantiert an. Vorläufig erreicht die große Entlassungswelle noch die Angestellten und Arbeiter mit Zeitverträgen. Die trifft es ganz besonders schlimm, da sie keinerlei soziales Netz auffängt. Die wachsende Arbeitslosigkeit, so mutmaßen viele japanische Beobachter, wird das große Wahlkampfthema werden.
Wenig Zustimmung für die Regierung
Auch in der japanischen Presse waren Rücktrittforderungen laut geworden
Kaum noch jemand traut der Regierung Aso zu, die Krise meistern zu können, und nach dem Rücktritt Nakagawas wird dem Kabinett Aso ein Finanzfachmann fehlen. Asos Zustimmungsrate ist nach einer Umfrage aus dieser Woche auf einen Rekordtiefstand von unter zehn Prozent gesunken. Bis zum September muss gewählt werden, ein Erfolg für die LDP scheint unwahrscheinlich.
Immerhin hat Aso jetzt ein wenig Hilfe von außen empfangen. Die amerikanische Außenministerin Clinton, die zu ihrem ersten Besuch in Japan weilt, kündigte an, dass Präsident Obama Aso als ersten ausländischen Politiker im Weißen Haus empfangen wird. Doch auch in Washington stellt man sich auf eine Zukunft ohne Aso ein. Auf besonderen Wunsch von Frau Clinton gab es in Tokio auch ein Treffen mit Oppositionsführer Ozawa. (Siehe auch: Hillary Clinton: Amerika und Japan vereinbaren Teilabzug aus Okinawa)
Text: F.A.Z.
Bildmaterial: REUTERS